Saiten auswiegen

Präzisionswaage

Möchte man bei einem Instrument die Saiten erneuern, zu dem kein genauer Saitenplan (mehr) vorliegt, ist man auf die Dokumentation des Saitenherstellers angewiesen. Bei älteren Instrumenten ist manchmal noch nicht einmal der Saitenhersteller bekannt, so daß man keinerlei Rückschlüsse auf das Saitenmaterial ziehen kann. Sofern man also nicht mit Tabellen oder Kurvengraphiken des Saitenherstellers arbeiten kann, oder sich selbst Tabellen nach "Trial-and-error-Meßreihen" erstellt hat, bleibt eigentlich nur noch die Möglichkeit eine vorhandene Saite auszuwiegen. Über diesen Weg kann das spezifische Gewicht der (Rest-) Saite relativ zuverlässig bestimmt werden.

Wie bereits zuvor beschrieben, kann das geringe Saitengewicht nur mit einer Präzisionswaage ermittelt werden, welche Gewichte unterhalb von einem Gramm noch zuverlässig mindestens drei (besser 4 - 5) Stellen hinter dem Komma auswiegen kann. Auf keinen Fall funktioniert das mit einer Briefwaage und schon gar nicht mit einer Küchenwaage!

Handelt es sich um eine umsponnene Saite, unbedingt die Endkugel (Nippel) inklusive der Leder- oder Filzscheibe abknipsen . Ebenso eventuell aufgedröselte oder beschädigte Bereiche der Saite vom Wirbel-Ende abknippsen. Mit dem verbleibenden Reststück zu einer Apotheke oder einem Juwelier gehen und das Gewicht der locker zusammen geschlagenen Saite auf einer Profi-Feinwaage auswiegen lassen. Diese Waagen sind nicht nur geeicht und stehen absolut waagerecht, sondern beim Messvorgang befindet sich die Waage auch noch hinter einer Scheibe gegen Zugluft (Atmung!). Zuhause die gesamte, gewogene Saitenlänge auf den Millimeter genau ausmessen. Und dann natürlich auch noch den äußeren Durchmesser der Saite mit einer Micrometerschraube ermitteln.

Diese drei Messwerte im Universal-Saitenrechner in das graue Feld eintragen und auf "Spezifisches Gewicht berechnen" klicken. Darauf achten, dass die Werttrennung immer durch einen Punkt und nicht durch einen Komma erfolgt! Das Ergebnis findet man dann im grünen Bereich im Feld "Sp. Gewicht". Den ausgemessenen Durchmesser von Hand vom grauen in den grünen Bereich übertragen. Am Instrument die Mensur ausmessen und in das Feld "Länge" eintragen. Nun die runde Checkbox neben "Zug" anklicken, damit hier das (Zwischen-) Ergebnis erscheint. Fehlt nur noch die Angabe des Notenwertes im Feld "Frequenz". Dazu im roten Feld die Oktave auswählen und den passenden Notenwert anklicken. Jetzt keine Werte mehr verändern!

Aktuell zeigt uns das Feld Durchmesser NOCH den tatsächlichen Durchmesser der Saite an, die wir mit der Micrometerschraube ermittelt haben. Allerdings kennen wir den Werkstoff der Saite nicht genau, sondern nur das errechnete Spezifische Gewicht.
Ein Klick in die runde Checkbox beim Durchmesser stellt diesen Wert als Rechenergebnis ein. Nun kann man ganz einfach im gelben Bereich auf einen Saiten-Werkstoff klicken und bekommt den dazu passenden Durchmesser errechnet. War die Ausgangssaite eine umsponnene Saite, bietet es sich an, hier den Werkstoff Darm auszuwählen, um den "Darm-Äquivalent" zu erhalten. Nun einfach nur noch im gelben Bereich "Darm" auswählen. Das war es.



Beispiel 1

Eine umsponnene Saite soll gegen eine Saite mit gleicher Zugspannung eines anderen Herstellers ausgetauscht werden. Gesucht wird der Darm-Äquivalent dieser Saite:

Bevor die Saite ausgewogen werden kann, muss zwingend die Endkugel und die Beilagscheiben abgeknipst werden, um das Messergebnis nicht zu verfälschen (macht gut 1/9tel des Gesamtgewichtes aus!)

Die Saite auswiegen lassen

Die Micrometeschraube gibt mir einen gemittelten Aussendurchmesser von 1,59 mm

Das Maßband sagt, die gesamte Länge der Saite ist 1,570 m oder 1570 mm

Diese Werte übertrage ich in den grauen Bereich des Saitenrechners und klicke auf "Gewicht berechnen"
Im grünen Bereich erscheint das errechnete Ergebnis im Feld "Sp. Gewicht".
Also hat die umsponnene Saite ein spezifisches Gewicht von 5329,035 kg/qm

Die Saite soll den Platz des C in der großen Oktave einnehmen (Klicken im roten Bereich, linkes Feld Gross und rechtes Feld C)
Automatisch erscheint im grünen Bereich im Feld Frequenz die richtige Frequenz von 65,406 Hz

Den tatsächlichen Durchmesser habe ich ja schon mit der Micrometerschraube ermittelt und übertrage den Wert 1,59 mm

Als Länge ist die Mensurlänge der entsprechenden Harfe gemeint. Ich habe die Schwingungslänge der Regency-Harfe übernommen 50,75 Inch (nicht cm)

Das Ergebnis soll die Zugspannung sein - also das Kreisfeld bei Zug anklicken um das Ergebnisfeld für die Rechnung fest zu legen.

Macht 30,7 kg Zug für diese Saite.

Nun ohne eine Veränderung der Werte das Ergebnisfeld durch Anklicken des Kreissymboles neben Durchmesser auswählen.

Und das neu zu errechnende spezifische Gewicht im gelben Feld auswählen - also Darm anklicken.

Nun haben wir für diese Saite den Darm-Äquivalent von 3,25 mm oder anders ausgedrückt:
Diese umsponnene Saite mit 1,59 mm tatsächlichen Durchmesser entspricht einer Darmsaite von 3,25 mm Durchmesser.
Eine Darmsaite ist also so ganz grob ein wenig dicker als der doppelte Durchmesser.


Beispiel 2

Zur Überprüfung des tatsächlichen, spezifischen Gewichtes habe ich eine Nylgut-Saite von Aquila-Corde ausgewogen. Die originale Saitenbezeichnung heißt "NGH160" - also eine Nylgutsaite mit 1,60 mm Durchmesser.

Die übertragenen Werte in den Saitenrechner sehen dann so aus:

Das Ergebnis von 1313 kg/qm für das spezifische Gewicht liegt schon recht nahe an dem vom Hersteller angegebenen spezifischen Gewicht von 1260 kg/qm. Der Durchmesser war minimal dicker als auf der Produkttüte angegeben und die Saite wird sich beim Hochstimmen auf den Zielton noch etwas strecken - sie wird also etwas dünner und damit auch leichter.


Beispiel 3

Zur Überprüfung des tatsächlichen, spezifischen Gewichtes habe ich eine Karbon-KF Saite von Savarez ausgewogen. Die originale Saitenbezeichnung heißt "HPK140" - also eine Karbonsaite mit 1,40 mm Durchmesser. Der mit einer Micrometerschraube ausgemessene Durchmesser beträgt jedoch durchgängig nur 1,36 mm.

Die übertragenen Werte in den Saitenrechner sehen dann so aus:

Dadurch, dass bereits die gelieferte Saite 0,4 mm dünner ist als angegeben, wird das zu erwartende Ergebnis nach "Oben" verfälscht. Eine Kontrollrechnung mit 1,40 mm ergibt ein spezifisches Gewicht von 1807 kg/qm. Da sich auch eine Karbonsaite bei Zugbelastung streckt (und dabei dünner und leichter wird) liegt der Wert auch hier recht nahe am zu erwartenden spezifischen Gewicht von 1790 kg/qm für das Material Karbon.