Einleitung

Grundlagen

Was ist eine Saite?

Eigentlich eine einfache Frage, sollte man denken. Aber bereits zu diesem Zeitpunkt gehen die Vorstellungen weit auseinander. In einem Sportcenter findet man Saiten auf Badminton- und Tennisschlägern. Je nach sprachlicher Herkunft benennt auch ein Angler seine Angelsehne als Saite. Eine dünne Bockwurst im Naturdarm (im Saitling) wird auch als Saite benannt. Gestresste Eltern ziehen auch gerne mal "andere Saiten" auf, um ihren Kindern zu verdeutlichen, daß die Nerven blank liegen. Wir bleiben hier allerdings bei Saiten von Musikinstrumenten, weshalb diese Webseite auch MusikSaitenRechner heißt.

Bildlich gesprochen handelt es sich bei einer Musiksaite also um eine profane Schnur, die an beiden Enden irgendwo befestigt wurde und unter Spannung steht. Im einfachsten Fall ein urzeitlicher Jagdbogen, dessen Sehne beim Abschuss des Pfeiles einen ganz eigenen "Sound" von sich gibt. Denkt man sich von dort ein paar Jahrtausende weiter Richtung Moderne bis etwa 500 vor Christus, sehen wir einen griechischen Gelehrten namens Pythagoras im wahrsten Wortsinne an der Saite eines Monochords herumspielen.
Waren es in den Anfängen Pflanzenfasern, Tierdärme oder Pferdehaare; so haben sich bis in unser aktuelles Zeitalter besonders die technischen Materialien und Metalle etabliert. Aktuelle Musiksaiten bestehen aus Polyamid, Aramid, Nylgut, Karbon sowie Stahl, Messing, Bronze und weiteren "modernen" Werkstoffen. Darmsaiten haben sich bei historischen Instrumenten und Harfen weiterhin erhalten. Heutige Saiten sind auf den 10tel Millimeter genau konfektionierte Wunderwerke die zudem präzise rund geschliffen (rektifiziert) werden, um klangliche Abweichungen annähernd auszuschließen.


Kauderwelsch

Der Autor des MusikSaitenRechners hat den Anspruch, sowohl musikalische Zusammenhänge als auch mathematische Konstrukte für möglichst jedermann verständlich zu formulieren und in einer "Bildsprache" zu beschreiben. Trotzdem ist es bei diesem komplexen Thema nicht immer möglich, Fachworte und Terminologien auszuschließen. Wo immer es notwendig erscheint, sind Querverweise zum weiterführenden Thema verlinkt. Sowohl innerhalb dieser Webseite als auch extern, zum Beispiel mit entsprechenden Wikipedia-Artikeln.

Für die Berechnung der Musiksaiten ist es keineswegs erforderlich, die mathematischen Formeln oder die detailierten Zusammenhänge bis ins Kleinste zu verstehen - manch' interessierter Leser wünscht sich jedoch einen tieferen Eintieg in das Thema.


Berechnung

Grundsätzlich fließen in die Berechnung von Musiksaiten fünf veränderliche Parameter mit ein.

- die Mensur (frei schwingende Länge der Saite zwischen zwei Endpunkten)
- die Dicke (Durchmesser/Querschnitt der Saite)
- der Werkstoff (und damit das spezifische Gewicht des jeweiligen Materials)
- die Zugspannung (Lautstärke, Obertöne und Spielgefühl)
- der Ton den die Saite spielen soll (Klang-Frequenz gemessen in Hertz)

Ändert man einen dieser Parameter, verändert man damit das gesamte Gefüge und muss ggf. an einem anderen (oder auch mehreren) Parametern nachregeln.
Eine weitere Variable, die wir allerdings nicht verändern können, ist die Erdanziehungskraft von 9,81 m/s2 bezogen auf die westliche, Eurasische Kontinentalplatte.


Taylorsche Formel

Der englische Mathematiker Brook Taylor entwickelte Anfang des 18. Jahrhunderts die erste Formel zur Berechnung der schwingenden Saite. Basis war die Betrachtung und Auswertung der Musikwissenschaften jener Zeit, die Galileo Galilei (Discorsi) maßgeblich begründet hat und durch Marin Mersenne ("Traité de l’harmonie universelle" von 1636) weiter geführt wurde. Diese 'Taylorsche Formel' ist auch heute noch die Grundlage für die Berechnung von Saitenschwingungen.


Saitenschwingungen

Es gibt mehrere Möglichkeiten, eine in Ruhelage befindliche Saite zum Schwingen anzuregen und dadurch einen Klang zu erzeugen. Anschlagen, streichen oder zupfen. Bei einem Klavier wird die Saite durch einen kleinen Hammer angeschlagen. Bei einer Geige oder einem Cello streicht man die Saite mithilfe eines Bogens an (sie wird quasi angerubbelt). Die Saite einer Gitarre oder Harfe kann durch die Fingerkuppe, die Fingernägel oder auch einem Plektrum gezupft werden. Bei einem Spinett oder Cembalo spricht man von "anreißen" - letztendlich handelt es sich aber auch nur um eine Art kleines Plektrum (aus Delrin oder Leder) oder einem Vogelfeder-Kiel der die Saite anzupft.

Wurde die Saite angeregt zu schwingen, breitet sich in Längsrichtung eine Wellenbewegung (stehende Transversalwelle) aus. Die Auslenkung der Welle überträgt sich zum einen direkt an die Luft und zum anderen am Ende der Saite auf den Klangkörper (Schalldecke / Soundboard). Von dort erreicht der Ton (akustisch oder elektrisch verstärkt) unsere Ohren.


Nebentöne

Beim Anspielen einer Saite entstehen neben dem Hauptton noch weitere Nebentöne, die sogenannten Obertöne. Werden die Saiten des Instrumentes nicht durch einen Dämpfer (meist ein kleiner Filzpuffer) stumm gehalten, übertragen sich bestimmte Schwingungen der angespielten Saite auf benachbarte Saiten und regen diese zum Mitschwingen an. Bei der Harfe ist dieser Effekt meistens erwünscht.

Bei der Berechnung von Musiksaiten wird stets nur der Hauptton betrachtet. Üblicherweise wird die Saite auch nur auf diesen Hauptton gestimmt.


Tonsystem

In der westlichen Welt verwenden wir eine chromatische Tonskala bestehend aus 12 Tönen (oder auch Stufen) je Oktave. Besser bekannt unter dem Begriff "gleichstufig temperierte Stimmung". Diese 12 Töne lassen sich bei einem Blick auf eine Klaviatur sofort erkennen. Je Oktave finden sich dort 7 weiße und 5 schwarze Tasten. Der rechnerische Abstand von einer Stufe (einem Halbton) oder Taste zur nächsten Stufe oder Taste entspricht der zwölften Wurzel aus zwei. Wenn man diesen Wert des Frequenzverhältnisses mit der Frequenz eines Tones (die Note in Hertz) multipliziert, erhält man die nächste Stufe - den nächst höheren (Halb-) Ton. Dieser Sprung oder Halbtonschritt oder "Abstand zweier Tasten" entspricht 100 Cent. Demnach sind 12 x 100 Cent = 1 Oktave.


Kammerton

Damit mehrere Instrumente zusammen musizieren können, ist es erforderlich , sich auf eine gleiche Stimmung (besser Stimmhöhe) zu verständigen. In London wurde 1939 in einer Stimmtonkonferenz der "Referenzstimmton" für das eingestrichene a mit 440 Hz beschlossen. Umgangssprachlich hat sich dafür noch immer der althergebrachte Begriff des Kammerton etabliert. Die meisten Spielgruppen halten sich an diese Vereinbarung, zumal Blasinstrumente und Kirchenorgeln nicht einfach auf einen anderen Kammerton umgestimmt werden können. Bei Orchestern hat sich oft ein höherer Kammerton von 443 Hz (und zuweilen auch darüber!) eingebürgert.
Alle Berechnungen und Betrachtungen auf dieser Webseite beziehen sich immer auf den genormten (DIN 1317) Kammerton von 440 Hz!


Klang und Haptik

Ein typischer Anwendungfall für den MusikSaitenRechner wäre zum Beispiel der Austausch einer vorhandenen Saite aus dem Werkstoff Darm in eine neue Saite aus dem Werkstoff Karbon. Das Instrument wird dabei nicht verändert, also bleibt auch die Schwingungslänge gleich. Auch der zu erzeugende Ton und die Zugspannung bleiben identisch. Es ändert sich durch den anderen Werkstoff (also dem veränderten spezifischen Gewicht) somit nur die Saitendicke. Die neue Karbonsaite wird etwa ein Drittel dünner sein als die bisherige Darmsaite.

Neben der funktionalen Berechnung sollten aber noch weitere Auswirkungen betrachtet werden. Es gibt eben nicht nur "diese Eine" Saite, sondern man mus sich der Frage stellen, welchen Klangcharakter und welches haptische Anfassgefühl möchte ich haben?!? Daraus resultiert die Antwort nach dem richtigen Werkstoff.
Um beim Beispiel zu bleiben: Dadurch, dass die Saite dünner ist, schwingt sie etwas freier (weniger Massenträgheit) aber auch länger (produziert mehr Obertöne) und klingt etwas heller (feintöniger) oder auch schreiender (übersteuerter) als eine warmtönige (sonore) oder auch dumpfe (weniger Obertöne) Darmsaite. Für den Finger fühlt sich die Saite einschneidender (haptisch schwerer und härter/unnachgiebiger) aber auch direkter (leichte Ansprache) an. Zudem ist eine Karbonsaite äußerlich glatter (technisch-kalt) aber auch abriebfester als eine auffrisselnde aber anschmiegsame (haptisch weiche und warme) Darmsaite ... Es gibt also nicht pauschal DEN richtigen Saitenwerkstoff, sondern es kommt darauf an, welches haptische und klangliche Ergebnis man erzielen möchte. Unterschiede zwischen einem technischen Werkstoff (Nylon, Carbon usw.) und Stahlsaiten sind da noch weitaus größer, zumal der Saitendurchmesser von Metallsaiten deutlich dünner ist. Aber auch der Typ des Instrumentes gibt einen Teil des Werkstoffes vor. So ist Karbon zu glatt um durch einen Geigenbogen angeregt zu werden. Für Instrumente mit Griffbrettern wie bei einer Gitarre oder Mandoline sollte aus dem Blickwinkel der Tonerzeugung der Werkstoff möglichst hart sein um einen reinen Ton zu erzeugen. Anders herum danken es die Fingerkuppen, welche die Saiten ja hinter dem Bundsteg nieder drücken müssen, wenn die Saite möglichst weich ist (Spielkomfort).


Darm-Äquivalent

An dieser Stelle erscheint mir der Hinweis nützlich, dass der Durchmesser von umsponnenen Saiten üblicherweise den Darm-Äquivalent angibt und nicht die real gemessene Saitendicke. Die umsponnene Saite wird also betrachtet (und berechnet) wie eine massive Darmsaite obwohl sie tatsächlich nur ca. halb so dick ist.