Umsponnene Saiten

Umsponnene Saiten

Saitenwicklungen

dienen dazu, das spezifische Gewicht (die "Schwingungsmasse") zu erhöhen aber trotzdem einen verhältnismäßig kleinen Saitendurchmesser verwenden zu können. Würde man für eine Bass-Saite eine einfache Nylonsaite mit einem Durchmesser von 2,5 mm verwenden, dann wäre sie damit viel zu starr (Biegesteifigkeit) und raumgreifend. Verwendet man statt dessen eine dünne Saite und umgibt sie mit einer schraubenförmig aufliegenden Wicklung (Umspinnung), dann ist die fertig umsponnene Saite fast um die Hälfte dünner und viel flexibler. Ein Kern wird mit Nylon oder Draht umsponnen. Eine Zwischenlage aus Füllfasern gibt der fertigen Saite die Möglichkeit "beweglicher" und weicher zu Schwingen. Möchte man diese umsponnene Saite nun berechnen, muss man die drei Bestandteile einzeln ermitteln und zu einem Gesamtwert zusammen rechnen.

- Kern-Saite (Core) aus Nylon oder Stahldraht
- Füllfasern (Bedding) in Form von Kunstseide aus Nylon oder Aramid
- Umspinnung (Wrap) zumeist aus lackiertem oder versilbertem Kupferdraht

Üblicher Weise verwenden die Hersteller einen Vergleichswert, der den Durchmesser einer alternativen Darmsaite mit dem entsprechenden Massegewicht angibt. Wird eine umsponnene Saite also beispielsweise mit 1,9 mm angegeben, dann ist sie physikalisch etwas mehr als halb so dick, könnte aber eine Darmsaite mit 1,9 mm ersetzen. Diese Angabe nennt man "Darm-Äquivalent". Wichtig wäre an dieser Stelle noch zu erwähnen, dass eine umsponnene Saite und ihre äquivalente Darmsaite zwar letztendlich den gleichen Ton erzeugen, sich aber vom haptischen Spielgefühl und auch vom Klang deutlich unterscheiden können!

Möchte man also die drei Saitenelemente Kern/Füllfasern/Umspinnung zusammen rechnen, sollten die verschiedenen Werkstoffe vorher in ein einheitliches Material umgerechnet werden - vorzugsweise als Darmsaite.


Saitenkern (Core)

Die Kern-Saite zu ermitteln ist noch recht einfach. Wenn der Kern aus einer Tynex- oder Stahlsaite besteht, dann können wir den Durchmesser mit einer Micrometerschraube ausmessen. Ebenso lässt sich die Mensur - also die Schwingungslänge der Saite mit einem Maßband ausmessen. Das spezifische Gewicht von Tynex oder Stahl ist auch bekannt.

Für die Umrechnung mit dem Universal-Saitenrechner nehmen wir eine beliebige, aber für den gesamten Rechenvorgang immer gleichbleibende (realistische) Zugspannung, von beispielsweie 15 kp. Die Werte werden in den Saitenrechner eingetragen und wir lassen uns nun die Frequenz ausrechnen (markieren den Kreis um hier das Ergebnis abzulesen). Wenn wir diesen Wertemix dazu verwenden möchten, die Nylon- oder Stahlsaite in eine Darmsaite umzurechnen, dann interessiert uns die Dicke der Saite. Ohne eine Ziffer bei dem eben verwendeten Rechenweg zu verändern, wird der neu zu berechnende Wert mit einem Klick auf den kleinen Kreis markiert. Also ein Klick auf Durchmesser. Nun können wir das Saitenmaterial verändern und wählen dazu aus dem gelben Bereich Darm aus (wieder Kreis anklicken). Der Durchmesser der Saite verändert sich. Somit haben wir den Kern schon einmal von Nylon oder Stahl auf Darm umgerechnet. Das Gleiche muss nun mit der Umspinnung und mit den Füllfasern gemacht werden. Am Ende erhalten wir drei Saitendurchmesser für jeweils eine vom Ausgangsmaterial zu Darm umberechneten Saitenbestandteil, die wir einfach zusamen addieren können. Das ist dann der Darm-Äquivalent.


Füllfasern (Bedding)

Ab jetzt wird es kniffelig. Die Füllfasern betehen aus vielen feinen Fädchen. Wollte man es richtig machen, müsste man den Durchmesser eines einzelnen Seidenfadens ausmessen und die Anzahl der Fäden auszählen. Schon das Ausmessen eines so feinen Fadens ist mit einer Micrometerschraube gar nicht mehr machbar! Man könnte die Kunstseidenfasern alle zwischen den Fingern zu einem dicken Faden zusammen zwirbeln und den Durchmesser dieses "Zwirbelzopfes" halbwegs genau ausmessen. Bleibt noch die Frage um welches Material es sich handelt. Im einfachsten Fall ist es weißes Nylon. Meist werden jedoch Aramidfasern als Füllfaser verwendet. Aramid - unter dem Markennamen "Kevlar" besser bekannt - ist gelblich und hitzebeständig bis 350 Grad. Durch einen Brandtest mit einer Flamme von einem brennenden Zeitungspapier (Brenntemperatur der gelben Flamme ca. 240 Grad - kein Feuerzeug, Streichholz oder Kerze verwenden, weil die Flamme zu heiß ist) kann man schauen ob das Material sich gar nicht beeindrucken lässt (dann ist es Kevlar) oder sofort zusammen schrumpelt (dann ist es Nylon - Schmelztemperatur 207 Grad).


Umspinnung (Wrap)

Der Saitenrechner kann nur mit rundem Vollmaterial umgehen. Die Umspinnung ist aber ringförmig um den Kern angeordnet und somit innen hohl. Zum Berechnen muss man sich die Umspinnung jetzt wie ein herum gelegtes Band vorstellen. Etwa so, wie eine extrabreite Küchenpapierrolle - so breit, wie die Saite lang ist. Also nehmen wir gedanklich eine Rolle Küchenpapier und schneiden sie mit einem scharfen Messer der Länge nach auf. Das Küchenpapier liegt jetzt nicht mehr in halbrunder Ringform vor uns, sondern ist in einem rechteckigen Stapel zusammen gefallen. Immer noch so lang wie die Saitenlänge/Mensur und so breit, wie der halbe Umfang. Die Höhe entspricht der Dicke (des ehemaligen Ringes). Davon können wir den Flächenquerschnitt ausrechnen. Breite (halber Umfang) mal Dicke (Papierstapelhöhe). Die Querschnittsfläche des "Bandes" ist also ein Rechteck. Dieses errechnete Flächen-Ergebnis ist unser ursprüngliches "Rohr", was wir nun soweit zusammengedrückt haben, dass es in der Mitte kein Loch mehr hat, sondern einem vollmassivem Draht entspricht. Von dieser Kreisfläche können wir den Kreisdurchmesser ausrechnen, den wir nun als virtuellen Materialdurchmesser für die Umspinnung in den Saitenrechner eintragen können. Am Ende sollten wir auch hier die Dicke einer Darmsaite als Ergebnis haben.


Problemstellungen

Das eigentliche Problem liegt nicht beim Rechnen - das hat ja in unserem Beispiel gerade relativ einfach geklappt. Das Problem liegt beim Ermitteln der Rechenwerte - also beim Messen! Wenn man versucht den dünnen Umspinnungsdraht abzuwickeln, dann sieht das, was wir da in der Hand halten, so ähnlich aus, wie eine auseinander gezogene Feder eines Druckkugelschreibers. Eine Micrometerschraube findet hier gar keine Fläche zum Messen. Ein beherztes "glattziehen" des Drahtes zwischen Zeigefinger und Daumen präsentiert uns zwar nun die notwendige Messflächen aber das Gefüge wurde durch den Vorgang auch gestreckt und der Draht in die Länge gezogen. Folgerichtig ist der Drahtdurchmesser ggf. dünner geworden. Das nächste Problem ist die Tatsache, dass der Draht beim maschinellen Aufwickeln (Umspinnen) auf der Innenseite gestaucht und auf der Außenseite gestreckt wird. Würden wir uns den Querschnitt des abgewickelten und glatt gezogenen Drahtes unter dem Mikroskop anschauen, dann sind wir von einer rundförmigen Saite weit entfernt. Es wird eher so aussehen, wie ein Ei in Seitenansicht.

Um es noch ein wenig schwieriger zu machen ... Eine Micrometerschraube hat man ursprünglich zu dem Zweck erfunden, unnachgiebige Bleche zu messen. Wenn man das geriffelte Rädchen der Stellschraube langsam zu dreht, dann stoppt ab einem gewissen Druck eine feine, mechanische Ratsche diesen Vorgang und lässt das Stellrädchen ins Leere laufen. Ein feiner, dünner Kupferdraht oder weiche Materialien werden durch die Mess-Backen zu diesem Zeitpunkt bereits zusammengedrückt und gequetscht. Zudem ist der Druck der Ratsche nicht genormt. Mit zwei Micrometerschrauben (auch der 50 Euro-Klasse) erhält man auch zwei verschiedene Ergebnisse. Die Messbacken dürften eigentlich nur mit einem "Hauch von Nichts" (berührungslos durch Laser) am Meßobjekt anliegen.

Schlimmer geht immer ... ich kann das Drama noch steigern. Metallumsponnene Saiten fassen sich beim darüber Streichen haptisch sehr rau an. Für die Finger-Sensorik könnte es auch eine Schraube mit Feingewinde sein. Damit das Griffgefühl glatter ist, wird eine hochwertige Saite an der Außenseite noch etwas angeschliffen (rectified). Nun sieht der Querschnitt des auszumessenden Drahtes nicht nur so aus wie ein auf der Seite liegendes Ei, sondern an einem Bereich ist auch noch eine abgeschliffene Fläche.
Selbst wenn man 10 oder 20 Messungen an unterschiedlichen Stellen macht und den Wert mittelt. Es wird bei jedem neuen Versuch ein anderer Mittelwert herauskommen, der im schlimmsten Fall bis zu 200% voneinander abweichen kann.

Auf einen ganz entscheidenden Aspekt sind wir bislang noch gar nicht eingegangen. Benutzen wir für das Szenario doch einfach die Bordmittel unseres Putzschrankes um es zu verdeutlichen. Wir nehmen einen hölzernen Besenstiel und wickeln das runde Elektrokabel unseres Staubsaugers um den Besenstiel. Schön ordentlich Windung neben Windung neben Windung. Nun schauen wir uns zwei unmittelbar nebeneinander liegende Kabelwindung auf dem Holzstiel an. Zwischen zwei Windungen kann man so etwas wie ein mitlaufendes "Dreieck aus Luft" entdecken. Genauso ist es mit der Umspinnung auf dem Saitenkern. Wie soll man nun diese "Luft" in die Rechnung einbeziehen? Pauschal 10% von der Dichte der Umspinnung abziehen? Oder doch 15%? Ein Teil der Kunstseide könnte sich in diesen Hohlraum gedrückt haben. Also ziehen wir nur 5% ab? Aber eigentlich sind wir beim Berechnen von glatten Flächen ausgegangen, da drückt sich nicht das Eine in das Andere, sonst müssten wir anders rechnen oder ganz anders messen. Also doch Lufteinschlüsse mit einem spezifischen Gewicht von was eigentlich?

Wer bis hier her nicht nur gelesen sondern auch mitgedacht hat, wird zu der gleichen Erkenntnis kommen:
Eine umsponnene Saite kann nicht zuverlässig genau ausgemessen und bestimmt werden!


Lösungsansatz

Als Alternative kommt hier nur das genaue Auswiegen der umsponnenen Saite in Frage, um das tatsächliche spezifische Gewicht errechnen zu können.